02.06.2014

6 Kommentare

Sicher, das Internet ist für uns alle Neuland. Aber manchmal denkt man, große Konzerne sollten sich damit schon etwas eingehender beschäftigt haben. Die letzten 12 Jahre Erfahrung im Online-Marketing haben mich aber gelehrt: Haben sie nicht. Ok, das ist jetzt vielleicht etwas hart, aber wie sonst lassen sich die zahlreichen Fehler, die z.B. BMW gerade wieder macht? Da werden Unsummen für TV- und Print-Werbung rausgehauen, aber einfache Schnittpunkte wie Domainnamen werden völlig übersehen.

Dazu kurz die Hintergrundgeschichte: Ich liege entspannt auf der Couch, um die HeuteShow zu schauen (jaja, ich weiß, ich bin alt geworden). Nach Oliver Welkes Abschlussgag zappe ich noch etwas durch die Programme, bevor es wieder an den Schreibtisch gehen soll. Die Nacht ist ja noch jung und die To-Do-Liste lang. Ein Werbeclip erregt kurz vor dem Abschalten meine Aufmerksamkeit. Der Spot für den neuen BMW i8. Was für ein geiles Teil! Das will ich mir näher anschauen. Zum Glück wird ja die URL im Spot eingeblendet (Internet und so). Ich hole also den Laptop auf den Sch0ß und gebe ein: www.bmw-i8.de. Das war doch, zumindest dachte ich das, die im Spot genannte URL. Doch die dann angezeigte Seite sah so gar nicht nach BMW aus.

BMW
Sieht irgendwie nicht nach BMW aus

Werbung für Autoscout, polnische Frauen und dauerhafte Haarentfernung? Als Online-Profi weiß ich natürlich: Da hat sich jemand die URL geschnappt und sie geparkt, so dass Werbung darauf geschaltet wird. Ich kenne allerdings den einen oder anderen Menschen, der mit so einer Seite nichts anfangen kann. Da frage ich mich doch: Wenn der BMW i8 ein Auto der Premiumklasse ist, die Premiumklasse überwiegend von eher gut situierten, aber nicht mehr ganz jungen Menschen gekauft wird und diese nicht so dermaßen fit im Netz sind, warum hat BMW dann nicht daran gedacht, den eigenen Produktnamen als Domain zu registrieren? Warum legt man dem potenziellen Käufer solche Hürden in den Weg?

Jetzt will ich es genau wissen. Ich suche den Clip bei YouTube (dort ist er immerhin auch eingestellt) und erkenne: die URL lautet nicht bmw-i8.de, sondern nur bmw-i.de. Darauf wäre ich ehrlich gesagt in einem speziellen TV-Spot für den i8 nicht gekommen. Aber jetzt bin ich neugierig geworden. Ich recherchiere weiter. Fünfzen Minuten später habe ich eine Liste mit Fehlern, die ich bei BMW nicht zum ersten Mal sehe. Da lässt sich doch ein interessanter Blogbeitrag draus basteln, denke ich mir und schreibe los.

Die folgenden 5 Tipps können allen Unternehmen helfen, die ihre URLs in Anzeigen, Spots oder sonstigen Werbeträgern bekannt machen. Und falls BMW hier mitliest, nicht böse sein, ihr seid nur ein Beispiel von vielen :-).

1.Verwende keine Domains, die bereits etablierten Fremddomains zum Verwechseln ähnlich sind.

Das war direkt mein erster Gedanke: Was passiert denn, wenn ich die Domain ohne Bindestrich eingebe? Tja, www.bmwi.de führt zum Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Und das nicht erst seit gestern.

Aus Erfahrung wissen wir, dass sehr viele Internetnutzer mit Bindestrichen in Domainnamen eher lax umgehen. Etwa 30-60% können oder wollen sich die richtige Schreibweise nicht merken und tippen eben die falsche Version ein. Und landen damit beim Bundesministerium. Klar, viele werden dann weitersuchen und früher oder später auf die richtige Domain stoßen, aber einige eben auch nicht. Und warum sollte man dem Bundesministerium Traffic besorgen, den man selbst teuer eingekauft hat?

2. Sichere dir alle relevanten Endungen deiner Domain.

Denn sonst tun es andere. Und das ist oft nicht so schön für dich. Im besten Fall ist der Besucher einfach nur weg, gibt auf oder klickt (aus Versehen oder mit Absicht) auf eine der Werbeanzeigen. Im schlimmsten Fall baut der Inhaber der Domain deine Seite nach und holt sich Kundendaten ab, die dann für Phishing oder andere Unschönheiten verwendet werden. Da die unberechtigen Inhaber von Markendomains ihre Firma meist in exotischen Gefilden unterhalten, ist da auch nix mit Verklagen. Also besser vorsorgen.

Ein schönes Beispiel dafür ist www.bmw-i.org. Die hat sich offenbar ein findiger „Unternehmer“ gesichert. Zwar behauptet er, die Besucher auf die BMW-gehörende com-Variante weiterzuleiten, was aber zumindest im Firefox nicht funktioniert. Und noch schöner ist natürlich der darunterstehende Satz „Hier könnte Ihre Werbung stehen“. Also, Audi, Mercedes, wie schaut’s aus? 😉

test
bmw-i-org – Wer möchte hier werben?

3. Leite die anderen Endungen auf deine Hauptdomain weiter.

Zumindest die net-Endung hat sich BMW gesichert. Allerdings gelangt der Besucher auf – naja, auf eine leere Seite (www.bmw-i.net). Warum leitet man die Domain nicht einfach auf die de-Variante weiter? Dazu sind nur wenige Klicks erforderlich. Und wenn man schon so schlau war und sich abgesichert hat, warum dann den Prozess an dieser Stelle so abrupt unterbrechen?

4. Denke vor allem an Domains, die deine Besucher irrtümlicherweise eingeben werden.

Nicht nur falsche Endungen sind ein wichtiges Thema, sondern vor allem auch Varianten und Vertipper der Domain. Mir ist ja genau dieser Fehler unterlaufen. Ich habe, doof wie ich bin, den Namen des Autos als Domain eingegeben.

Aber auch hier wieder spielt der Bindestrich eine wichtige Rolle. Denn der eine oder andere Kunde wird garantiert auch www.bmwi8.de eingeben. Hat BMW wenigstens daran gedacht?

Nee. Aber jemand anderes war so schlau.

checkdomain
Mal gucken, was hier für Content entsteht

Gleiches gilt natürlich auch für etwas entferntere Varianten wie bmw-8.de (frei) oder Varianten, die auf der Tastatur direkt neben dem i liegen (insb. o und u, also bmw-u.de und bmw-o.de). Was auch häufig passiert, ist, dass Nutzer sich bei Punkt und Bindestrich vertun und dann www-bmw.de eingeben. Solche Domains werden von Domaingrabbern immer gern genutzt, also besser mitdenken. www-bmw.de ist übrigens tatsächlich von einem Domaingrabber registriert. www-bmw-i.de ist dagegen noch frei…

Wie es besser geht? Einfach mal www.schefkoch.de, www.tschibo.de, www.www-otto.de, www.spada-bank.de oder www.gooogle.de eintippen.

5. Hilf auch Nutzern, die sich deine Verzeichnisse falsch merken.

Immerhin hat BMW auf der Domain für den i8 eine Kurz-URL eingerichtet, nämlich www.bmw.de/i8. Das ist leicht zu merken. Allerdings tritt auch hier der Fall auf, dass ein bestimmter Teil der Nutzer sich nicht an die vom Konzern gewünschte Variante hält. Wenn also ein begeisterter BMW-Fan seinem Arbeitskollegen von dieser URL berichtet, wird ein Teil der neugierigen Kollegen garantiert so etwas wie www.bmw.de/i-8 eingeben. Gelangt der potenzielle Neukunde dann immer noch zur richtigen Seite?

bmw-i-8
Falsches Verzeichnis – keine Chance

Nein. Schade. Nicht einmal eine saubere Fehlerseite wurde definiert. Noch schaderer.

Bonustipp: Wenn du einen Hashtag etablierst, sichere dir auch die entsprechende Domain.

Hashtags sind ein feines Marketinginstrument. Sie sollten wie Marken betrachtet und entsprechend aufgebaut werden, dann lässt sich dadurch einiges an Aufmerksamkeit und Kommunikationsvolumen erreichen. Wenn wir den Hashtag also wie eine Marke betrachten, sollte es auch angebracht sein, den Hashtag als Domin zu registrieren. Bei BMW ist das zum Beispiel #bmwstories. Die entsprechende Domain www.bmwstories.de ist noch frei. Diese könnte man z.B. umleiten oder gleich zu einer Social Media-Übersicht ausbauen. Warum Geld in einen Hashtag investieren, damit einem irgendjemand dann irgendwann die entsprechende Domain wegschnappt?

Andere von BMW verwendete Hashtags wie #bmw2er oer #bmw6er sind zumindest durch BMW als Domain registriert, werden aber nicht genutzt und leiten auch nicht weiter. Die halbe Miete ist halt doch nur die halbe Miete.

Warum eigentlich so ein Aufhebens wegen solchen „Kleinigkeiten“?

Weil wir immer davon ausgehen müssen, dass Internetnutzer faul, unerfahren und sprunghaft sind. Ich bin mir absolut sicher, dass ich nicht der einzige bin, dem der obige Fehler (www.bmw-i8.de einzutippen) unterlaufen ist. Angenommen, der TV-Spot erreicht 1 Million Menschen im Zeitraum X. Davon geben (sagen wir) 1% die URL ein, um mehr zu erfahren. Davon machen nur 10% den gleichen Fehler wie ich. Dann hat BMW mal eben 1.000 potenzielle Besucher entweder verloren oder zumindest verwirrt. Wenn von diesen 1.000 Interessenten (die ja zumindest insofern gesteigertes Kaufinteresse hatten, um die Domain einzutippen) nur 3 dadurch abgeschreckt werden und den Wagen im Nachhinein nicht kaufen, gehen BMW 390.000€ Umsatz flöten (bei Grundausstattung des Wagens). Und das dank eines simplen Anfängerfehlers. Übrigens, BMW: Falls der Tipp für euch hilfreich war, freue ich mich natürlich über eine Spende an die Lost Voices Stiftung. Ein Prozent des potenziell entgangenen Umsatzes  wären doch angemessen, oder? :-).

Und ganz am Rande: Bei anderen BMW-Varianten zeigt sich eine ähnliche Situation. So führt www.bmw-i3.de zum Beispiel zu einem BMW-Forum, www.bmwi3.de führt gleich ganz ins Leere… Noch einiges an Nachholbedarf in Bayern…

 

Felix Beilharz

Über den Autor

Felix Beilharz ist "einer der führenden Berater für Online- und Social Media Marketing" (RTL) und "gehört zu den besten Rednern Deutschlands" (WAZ).

Seit 2002 ist Felix im Online-Marketing unterwegs. Er hat Vorträge, Seminare und Workshops in 18 Ländern gehalten, 11 Bücher geschrieben und zählt 22 der 100 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands zu seinen Kunden.

Die Influencer-Analyseplattform Favikon rankt ihn als den einflussreichsten deutschen Experten im Digitalen Marketing. Über 110.000 Menschen folgen ihm in den sozialen Medien.

Felix unterrichtet an mehreren Hochschulen in Deutschland und der Schweiz und ist regelmäßig als Experte in TV, Radio und Print-Medien zu Gast.


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  1. Hi Felix!
    Das Thema ist schon ein Evergreen, umso erschütternder, wenn man in 2014 immer noch so damit konfroniert wird!
    Ich hatte „ähnliches“, als ich vor kurzem mit den neuen „Satisfries“ von BörgerKing beworben wurde. Den Marketingansatz fand ich spannend, weshalb ich gleich mal http://www.satisfries.de eingetippt habe. Wo ich dann land/ gelandet bin, finde ich amüsant… aber auch hier wie als auch bei BMW, werden die „Domaingrabber“ damit auch nicht froh werden
    https://register.dpma.de/DPMAregister/marke/registerhabm?AKZ=012639159 Allerdings könnten sich BMW und BurgerKing und all die anderen ne Menge Stress ersparen!

  2. Hallo Felix, das BMW so lasch mit Domains und Internet um geht, hat vielleicht auch mit deren Zielgrupe zutun, speziell bei diesem Auto. Denn die Zielgruppe ist steinreich,älter und mit Internet und Co auf Kriegsfuss stehend. So ist es für mich kein Wunder, das man Millionen für TV und Radiowerbung ausgibt. Denn dort ist ja die anvisierte Zielgruppe eher zu finden als im Internet.
    Auf jedenfall ist Dein Artikel sehr gelungen.
    Freundliche Grüße
    Ralf Heidenreich

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