17.07.2014

4 Kommentare

Die Social Media haben in den letzten 10 Jahren ganz „normalen“ Menschen unglaubliche Möglichkeiten gegeben. So kann eine einzelne Person einen Weltkonzern öffentlich blamieren. Andere bestimmen maßgeblich die öffentliche Meinung zu Produkten oder Unternehmen mit. Wieder andere bringen Themen auf die öffentliche Agenda oder informieren große Menschenmengen über Missstände oder aktuelle Entwicklungen. Ich persönlich freue mich zum Beispiel immer wieder über die monatlich weit über 1.000 Leser meines National Inkass0-Blogbeitrags und rechne gelegentlich mal aus, wie viel Umsatz diesem „Unternehmen“ dadurch entgangen ist ;-).

Gerade diese persönliche Reichweite ist es, das ich am Social Web so faszinierend finde. Plötzlich befinden sich Einzelpersonen auf Augenhöhe mit finanzkräftigen Unternehmen. Das bringt eine gewisse Macht, aber auch eine gewisse Verantwortung mit sich.

Jemand, der sich in den letzten Jahren eine enorme persönliche Reichweite erarbeitet hat, ist Markus Brandl (auch bekannt als Herr SocialMedia). Ein Blick in seine Timeline verrät: Kaum ein Beitrag wird nicht hunderte- oder sogar tausende Male geteilt und geliked. Dutzende Kommentare pro Beitrag runden das Bild ab.

Ein Beispiel dafür ist dieser Post:

 

 

Wie erreicht man eine solche persönliche Reichweite? Was bringt das überhaupt? Und kann man so eine Viralität planen? Diese und weitere Fragen hat mir Markus in einem Interview beantwortet. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund und polarisiert gerne, wenn es sein muss. Viel Spaß!

Hey Markus, stell dich doch bitte noch denen, die dich noch nicht kennen, kurz vor.

Ich bin seit Januar 2013 im Social Media Team in der Unternehmenskommunikation der Bayer AG tätig. Ich habe an der Uni Köln Soziologie studiert, bin aber auch gleichzeitig Grafiker.

Das ist aber eine ungewöhnliche Vita.

In der Tat. In der Social Media Welt ist so eine Kombi aber ein enormer Vorteil. Ich kann Zielgruppen nicht nur definieren und einordnen, sondern die grafischen Elemente auch direkt selbst umsetzen. Das spart Zeit und Geld. Bevor ich zu Bayer kam, arbeitete ich bei verschiedenen Social Media Agenturen als Projektleiter für unterschiedliche virale Kampagnen.

Du hast dir einen Namen als Facebook-Star gemacht. Wie ist es dazu gekommen, dass du so einen Erfolg bei Facebook hast? Wie hat das angefangen?

Hier meine offizielle Antwort: Schon immer war ich sehr web-affin. Habe eigentlich schon immer Social Media gelebt. Da war dies eine ganz natürliche Entwicklung. Das antwortet der Social Media Experte von heute, oder?

Joa, kommt hin. Das hört man tatsächlich des Öfteren. Aber wie ist die inoffizielle Antwort?

Hehe, du fragst aber hart nach. Nun gut. Im Jahr 2011 trennte ich mich von meiner Partnerin – zu der damaligen Zeit war ich noch nicht auf Facebook aktiv, schaute aber mit ein paar Freunden im Kino „The Social Network“. Hier sah ich eine für mich entscheidende Szene. Du kennst sie sicherlich. Zuckerberg sitzt verschlafen im Computerraum. Er hat „The Facebook“ eigentlich schon fertig programmiert – er steht kurz davor online zu gehen. Ein Kommilitone spricht Zuckerberg jedoch an. Ob er wisse, wie der Beziehungsstatus von Michelle (oder so ähnlich) sei. Zuckerberg antwortet nicht. Er sucht das Weite. In seinen Adiletten flitzt er nach Hause und programmiert Facebook noch einmal um. Er erweitert es um den Zusatz „Beziehungsstatus“.

To cut a long story short: Schlagartig wurde mir klar, dass Facebook die perfekte Möglichkeit ist um eine neue Partnerin kennenzulernen. Eine Singlebörse kam für mich nie in Frage. Facebook jedoch strahlte ausreichend Seriosität aus. Facebook war der heiße Scheiß . Du konntest eine Frau anschreiben, deren Profil dir gefällt, ohne befürchten zu müssen, sie denkt, du seist ein einsamer Vollpfosten (was du vielleicht tatsächlich warst). Schließlich hast du sie im hippen Facebook-Netzwerk angeschrieben und nicht um Verzweiflungsportal für Akademiker und Singles fürs Klo.

Und wieso die ganzen Postings?

Die Timeline, oder früher Pinnwand ist bei deiner persönlichen Präsentation deine Visitenkarte. Sie verrät sehr viel über deinen Humor, deine Empathie und deinen Bildungsgrad. Ich entschied mich daher, sie so unterhaltsam wie möglich zu gestalten, um möglichst ansprechend rüberzukommen. Wohlgemerkt, so fing alles an. Mittlerweile habe ich da durchaus eine andere, differenziertere Meinung.

 

 

Was bringt dir persönlich die hohe Reichweite im Social Web?

Böse Zungen würden sicherlich von einem gewissen Geltungsbedürfnis sprechen, und legt man die Motivation „Frauen kennenlernen“ dem zugrunde, würde ich dem auch zustimmen. Jedoch sind in der Zwischenzeit 3 Jahre vergangen und zudem bin ich wieder glücklich vergeben. Die Reichweite und den damit einhergehenden Einfluss nutze ich mittlerweile, um Dinge, die in meinen Augen unterstützenswert sind, voranzutreiben. Das kann ein kleines lokales Anliegen sein, wie das Verschwinden eines Hundes (Hugo, den wir über Social Media tatsächlich ausfindig machen konnten), bis hin zu großen Kampagnen, wie das Funding-Projekt Krautreporter, das sich für fundierten Online-Journalismus stark macht. In Zeiten in denen wir mit heftig.co Schrott bombardiert werden, ist das absolut notwendig.

Wie wählst du Inhalte aus, die hohes virales Potenzial haben?

Also ich habe da meine 92 Punkte Plan und erst wenn alle Kriterien dieser Liste erfüllt sind, poste ich es.

Nicht dein Ernst?

Spaß. Ich habe keine Checkliste. Ich finde es sogar recht zweifelhaft Viralität in planbare Kriterien zu packen. Vor zwei Jahren noch, wollte dir noch jeder „Ich mach was mit Social Media“ Fuzzi erzählen, wie Story Telling funktioniert. Heute schwadronieren sie in 10-Punkte Plänen über Viralität.

Viralität nach Plan kann, wie bei der Supergeil-Kampagne von EDEKA gut gehen – sofern ein großer Etat dahintersteckt. Authentische Viraltät ist jedoch sehr schwer in Masterpläne zu packen. Oder hättest du gedacht, dass ein anspruchsvolles 5 Minuten-Gedicht, über 6,5 Millionen Klicks auf YouTube generiert? Kai Thrun veröffentlichte das Julia Engelmann Video „One Day“, allen voran, weil es ihm persönlich gefiel. Es traf den Zeitgeist einer ganzen Generation. Ich agiere da ähnlich. Jeder Beitrag trifft zunächst meinen persönlichen Geschmack. Platzierungszeitraum und Aufbereitung ergibt sich dann aus dem Erfahrungswert.

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Wie gut kannst du vorab schon einschätzen, wie sich die Reichweite entwickeln wird?

Auch wenn die sozialen Netzwerke, allen voran Facebook (gefühlt) alle zwei Wochen ihren Algorithmus ändern – kann ich innerhalb weniger Minuten relativ gut absehen inwiefern ein Beitrag abgeht oder eben nicht. Ich habe da mittlerweile sogar relativ verlässliche Formeln entwickelt. Dem Leser müsste allerdings aufgefallen sein, dass in meiner Antwort zweimal das Wort „relativ“ fiel.

Warum verwendest du keine Facebook-Seite, sondern dein persönliches Profil?

Die Antwort steckt schon in der Frage. Weil mir eine Facebook-Seite zu unpersönlich ist. Ein persönliches Profil gibt den Leuten die Gewissheit, es auch wirklich mit mir zu tun haben. Die Vertrauensebene ist intensiver und somit auch die Bereitschaft Informationen zu teilen. Das ist übrigens ein großer Fehler den Politiker machen. Ein Politiker sollte für seinen Wahlkreis da sein. Ein echte Persönlichkeit, oder sagen wir besser eine greifbare Persönlichkeit. Gerade nach der Europawahl switchten viele Europaabgeordnete von Privat auf Fanprofil (zum Teil mit unter 1.000 Freunden).

Nicht nur aus technischer Sicht ein Fehler, da sie sich selbst die Reichweite kappten. Vor allem raubt man sich die eigene Authentizität. Ich bin kein Fan eines Politikers, ich möchte mit ihm in Kontakt treten, weil er oder sie von mir (meinem Wahlkreis) gewählt wurde. Ein Fanprofil suggeriert weniger persönliche Pflege. Das 5000-Freunde-Argument, oder dass man nicht mit jedem aus seinem Wahlkreis direkt befreundet sein möchte, lass ich nicht gelten, schließlich gibt auch den Abo-Service.

Du konzentrierst dich stark auf Facebook oder? Bist du noch in anderen Netzwerken aktiv? Warum/warum nicht?

Beruflich bin ich vor allem auf LinkedIn aktiv. Privat auf Facebook. Mit Twitter habe ich mich lange schwer getan. Diese 140-Zeichen Pager Mentalität aus den Staaten, ist für jemanden wie mich, der die ausschweifende Prosa liebt ein hartes Brot. Doch auch hier versuche ich mich seit ein paar Wochen intensiver zu positionieren. Und ich muss sagen, gerade zur erfolgreich verlaufenen WM hat das richtig Spaß gemacht.

Hast du noch 3 Tipps für Personen oder Unternehmen, die größere Reichweiten im Social Web anstreben?

  • Verkauft keinen Nontent als Content.
  • Lasst euch von Social Media Laberbacken nicht diktieren wie es geht. Probiert es selber aus.
  • Kauft mein Buch! Spaß, ich hab gar keins 😉

Sehr geil, vielen Dank, Markus! Weiterhin viel Erfolg bei Facebook und jetzt auch bei Twitter :-).

Felix Beilharz

Über den Autor

Felix Beilharz ist "einer der führenden Berater für Online- und Social Media Marketing" (RTL) und "gehört zu den besten Rednern Deutschlands" (WAZ).

Seit 2022 ist Felix im Online-Marketing unterwegs. Er hat Vorträge, Seminare und Workshops in 16 Ländern gehalten, 10 Bücher geschrieben und zählt 22 der 100 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands zu seinen Kunden.

Felix unterrichtet an mehreren Hochschulen in Deutschland und der Schweiz und ist regelmäßig als Experte in TV, Radio und Print-Medien zu Gast.


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  1. Wie viel Bullshit hier sich doch findet… 140 Zeichen zu kurz wegen der ausführlichen Prosa. Kaum einer seiner Facebook-Posts ist länger. Das Problem ist nur, dass auf Twitter geklaute Inhalte wenig gut ankommen. Virale Inhalte sind zudem häufig schon bekannt. Was ein Profi… Oder eben auch nicht.

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