09.04.2013

8 Kommentare

Dass ein strategischer Ansatz im Social Media Marketing wichtig ist, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben (wenn nicht, empfehle ich mein Buch „Social Media Marketing – Strategien, Tipps und Tricks für die Praxis“ ;-)). Doch wie sollte eine sinnvolle Strategie aussehen? Gibt es ein einfaches Modell, dass sich zur Erstellung und Planung einer Kampagne oder auch einer ganzen Strategie eignet?

Ansätze dafür gibt es viele. Einige habe ich in meinem zweiten Buch „Social Media Management“ aufgezeigt: das POST-Modell, der 7C-Ansatz, die ZEMM-MIT-Methode oder das Trampelpfad-Modell. Alle diese Systeme eignen sich mehr oder weniger gut, weisen aber alle irgendwo Schwächen auf: entweder sind sie zu komplex, um gerade bei KMU Anwendung finden zu können, zu theoretisch, oder ihnen fehlt die Einbindung wichtiger Elemente.

Ich habe daher einen weitergehenden Ansatz entwickelt, der die Schwächen der Modelle beheben dürfte. Der Ansatz ist praxisrelevant, leicht umsetzbar, umfassend und vor allem: nachhaltig. Denn was bei vielen Strategien und Kampagnen einfach übersehen wird, bildet hier einen wichtigen Part.

Das APOSTEL-Modell

Der Einfachheit halber habe ich das Modell APOSTEL-Modell genannt. Aufmerksame Leser haben jetzt vielleicht bereits bemerkt, dass in diesem Wort das oben bereits genannte „POST“ vorkommt. Richtig, denn das APOSTEL-Modell ist eine Erweiterung und Verbesserung dieses Ansatzes. Insofern gehen Credits an die Kollegen von Forrester Research, die das POST-Modell in ihrem Buch Groundswell bereits 2008 vorgestellt haben. Ich habe dieses Modell immer gern genutzt, aber mir fehlen dabei einige wichtige Elemente: vor allem eine vorangehende Analyse sowie die Frage, wie das Engagement nachhaltig ausgewertet und fortgeführt werden kann.

Das Akronym APOSTEL steht für die sieben Elemente des Modells: Analysis – People – Objectives – Strategy – Technology – Evaluation – Long Term Engagement.

Analysis: die Analyse-Phase

Phase 1: Analysis

Zu Beginn einer jeden Marketing-Strategie steht zwingend eine Ist-Analyse. Hier werden Fragen erörtert wie

  • Welche Ressourcen bestehen bereits?
  • Welche Maßnahmen haben in der Vergangenheit gut funktioniert und warum?
  • Auf welche Synergien können wir zurückgreifen?
  • Was macht die Konkurrenz?

Auch eine klassische SWOT-Analyse kann, angepasst auf die Social Media-Kanäle hier erfolgen.

  • Strenghts: Wo bestehen Stärken in Bezug auf Social Media?
  • Weaknesses: Welche Schwächen sind zu berücksichtigenß
  • Opportunities: Welche Chancen ergeben sich für unser Social Media-Engagement?
  • Threats: Welche Gefahren bestehen? Wo lauern Risiken?

Hier findet also eine Überprüfung der Ist-Situation, der aktuellen Rahmenbedingungen und möglicher Risiken statt, die es im Laufe der Strategie zu beachten gilt.

People: die Zielgruppen

Phase 2: People

Aus dem POST-Modell übernommen ist eine Analyse der Zielgruppen. Im APOSTEL-Verfahren geht diese Phase jedoch noch ein gutes Stück weiter. Analysiert werden nicht nur die eigenen Zielgruppen, sondern auch weitere Stakeholder, insbesondere potenzielle Multiplikatoren.

  • Welche Zielgruppen sollen angesprochen werden?
  • Muss vielleicht eine oder müssen einige wenige Zielgruppen herausselektiert werden, um mit diesen zu starten?
  • Welche Bedürfnisse/Eigenschaften/Anforderungen haben diese Zielgruppen?
  • Wo sind die Zielgruppen bereits aktiv?
  • Wer ist in der Zielgruppe besonders aktiv/reichweitenstark?
  • Wer könnte bei der geplanten Strategie als Multiplikator einbezogen werden?
  • Welche Personen sind besonders kritisch/negativ eingestellt und könnten eine potenzielle Gefahr darstellen?

Objectives: die Ziele

Phase 3: Objectives

Sind die Zielgruppen definiert und potenzielle Multiplikatoren identifiziert, sollten die Ziele des Social Media-Engagements festgelegt werden. Diese Ziele leiten sich aus den Unternehmens- und Marketingzielen ab, müssen diese unterstützen und zu deren Erreichung beitragen. Gleichzeitig sollten sie jedoch social media-spezifisch sein, sich also auch mit den Methoden und Möglichkeiten des Social Webs erreichen lassen.

Ein gutes Social Media-Ziel ist an der bekannten SMART-Formel aufgestellt, also spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert. Beispiele für solche Ziele sind zum Beispiel:

  • „Wir generieren pro Monat mindestens 10 Neukundenleads über die Social Media-Kanäle.“
  • Traffic-Steigerung auf der Website durch den Einsatz von Social Media um 20% bis Ende des Jahres.
  • Senkung der Service-Kosten um 10% pro Monat durch verstärkten Einsatz von Twitter als Service-Kanal.

Besonders der Messbarkeit der Ziele kommt eine wichtige Bedeutung zu. „Wir wollen bekannter werden“ oder „unsere Marke soll gestärkt werden“ sind keine Ziele, sondern fromme Wünsche. Ein Ziel wird erst ein Ziel durch eine Deadline und eine Messmöglichkeit!

Strategy: die Gesamtstrategie

Schritt 4: Strategy

Social Media soll die Unternehmensstrategie unterstützen. Deshalb ist auch im Rahmen der Planung die Frage wichtig, wie sich das Social Media-Engagement in diese Gesamtstrategie einfügt.

  • Wie tragen Social Media zur Unternehmensstrategie bei?
  • Inwiefern ergeben sich Beschränkungen für das Social Media-Engagement aus der Unternehmensstrategie?

In diesem Schritt kann auch schon eine grobe Content-Strategie erfolgen, also die Frage, welche Inhalte verbreitet werden sollen, wie diese Inhalte beschafft werden und wie die Qualität der Inhalte sichergestellt wird.

Auch Budgetfragen sind in diesem Schritt angebracht. Wieviel Budget steht für die Kampagne oder Strategie-Ausführung bereit?

Hinweis: Dieser und der nächste Schritt bedingen sich teilweise. Es kann notwendig sein, nach dem nächsten Schritt noch einmal zurückzugehen und die Antworten zu verfeinern. Zum Beispiel kann eine kanalspezifische Content-Strategie erst definiert werden, wenn die zu bespielenden Kanäle identifiziert wurden.

Technology: die Kanäle und Tools

Schritt 5: Technology

Erst jetzt ist eine Kanal-Auswahl sinnvoll möglich. Hier machen die meisten Unternehmen einen großen Fehler. „Wir gehen auf Facebook“ steht als Anforderung im Raum, ohne überhaupt begründen zu können, ob dies sinnvoll und gewinnbringend ist. Erst wenn die Fragen nach der Zielgruppe, den Zielen und dem strategischen Vorgehen insgesamt beantwortet wurden, lässt sich eine fundierte Auswahl der Kanäle treffen. In diesem Schritt geht es also um Fragen wie:

  • Welche Social Media-Kanäle sollen bespielt werden?
  • Welche Kanäle müssen im Auge behalten werden, ohne dort derzeit aktiv zu werden?
  • Welche Kanäle können mit Sekundärinhalten bespielt werden?
  • Welche Kanäle können außen vor gelassen werden?

Außerdem sollte hier auch eine Entscheidung für hilfreiche Tools getroffen werden, die zur Umsetzung der Social Media-Strategie eingesetzt werden sollen.

Evaluation: die Erfolgsmessung

Schritt 6: Evaluation

Die im Schritt drei gesetzten Ziele müssen gemessen und mit den Zielvorgaben abgeglichen werden. Hierfür ist die Bildung von KPIs (Key Performance Indicators), also Kennzahlen notwendig. Im fünften Schritt werden also, sofern sie noch nicht im Objectives-Schritt gelöst wurden, folgende Fragen beantwortet:

  • Welche Kennzahlen drücken die Ziele aus?
  • Welche Kennzahlen können unter vertretbarem wirtschaftlichen Aufwand erhoben werden?
  • Welche Tools werden für das Monitoring und die Erfolgsmessung eingesetzt?
  • Wie wird ein regelmäßiges Reporting sichergestellt?
  • In welchen zeitlichen Abständen sollen Soll-Ist-Abgleiche durchgeführt werden?
  • Wie fließen die Ergebnisse der Erfolgsmessung in die weitere Vorgehensweise ein?

Long Term Engagement: die Nachhaltigkeit

Schritt 7: Long term engagement

Dieser Schritt ist extrem wichtig, wird jedoch fast immer vergessen oder zumindest vernachlässigt. Alle Schritte wurden sauber durchgegangen, die Kampagne war ein voller Erfolg. Es konnten direkt zahlreiche neue Fans und Follower gewonnen werden, die Leser im Blog haben sich vorrübergehend vervielfacht. Und nun?

Wie geht man nun mit den neuen Kontakten um? Hier liegt einer der großen Stolpersteine des Social Media Marketings: viele Effekte sind sehr kurzlebig. Das Feuer der Begeisterung ist schnell erloschen, die Kampagne gerät wieder in Vergessenheit. Damit sich der finanzielle Aufwand aber lohnt, muss ein nachhaltiges Vorgehen sichergestellt sein. Dafür dient der letzte Schritt, der unter anderem folgende Fragen beinhaltet:

  • Was wurde aus der Kampagne gelernt? Was hat gut funktioniert, was nicht?
  • Wie kann das Engagement der Zielgruppen verlängert werden?
  • Können die Social Media-Kontakte in weitere Kanäle überführt werden (z.B. Newsletter, Mailing-Verteiler, CRM-System etc.)?
  • Welche Langzeit-Strategie soll an die Kampagne anschließen?
  • Wie kann die nächste Kampagne oder Aktion mit der vergangenen verknüpft werden?

Nur wenn eine nachhaltige Aktivierung der Nutzer gelingt, wird das Unternehmen dauerhaft im Social Web erfolgreich sein. Alles andere ist ein Springen von Strohfeuer zu Strohfeuer, bei dem viel Geld verbrannt wird und der langfristige Nutzen fraglich ist.

Das ist das APOSTEL-Modell in Kurzfassung. Wobei knapp 1.200 Worte gar nicht so kurz sind :-). Ich hoffe, Sie können das Modell für Ihr Unternehmen verwenden und es liefert Ihnen einige neue Denkansätze. Über Feedback per Mail oder in den Kommentaren freue ich mich natürlich immer.

 

Felix Beilharz

Über den Autor

Felix Beilharz ist "einer der führenden Berater für Online- und Social Media Marketing" (RTL) und "gehört zu den besten Rednern Deutschlands" (WAZ).

Seit 2002 ist Felix im Online-Marketing unterwegs. Er hat Vorträge, Seminare und Workshops in 18 Ländern gehalten, 11 Bücher geschrieben und zählt 22 der 100 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands zu seinen Kunden.

Die Influencer-Analyseplattform Favikon rankt ihn als den einflussreichsten deutschen Experten im Digitalen Marketing. Über 110.000 Menschen folgen ihm in den sozialen Medien.

Felix unterrichtet an mehreren Hochschulen in Deutschland und der Schweiz und ist regelmäßig als Experte in TV, Radio und Print-Medien zu Gast.


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  1. Sollte ich mir nicht zuerst überlegen, was ich mit Social Media erreichen will und erst dann, wen ich DESHALB anspreche?

    Wo bleiben organisatorische Verankerungen, Prozesse usw..? Schöner Name, aber – SORRY – leider ganz dünnes Eis!

    1. Hallo anonymer Kommentator,

      das Vorgehen „Zielgruppe – Ziele“ ist dem POST-Framework entnommen. Du hast aber durchaus recht, ich war damit auch nie so ganz glücklich. Ich werde da demnächst auch noch etwas umstellen. Es funktioniert zwar auch so, aber es ist angenehmer und logischer in der anderen Reihenfolge, da gebe ich dir durchaus recht.
      Organisatorische Verankerungen etc. sehe ich im Punkt „Strategy“. Wenn du einen anderen Vorschlag dazu hast, immer her damit :-).

  2. Vielen Dank für die doch recht ausführliche „Kurzfassung“, wenn auch ich zu Beginn – angelockt von dem ausgefallenen, semi-religiöse Sinnebenen verheißenden Namen Ihres Modells – etwas verwirrt war von den diversen Kürzeln für die unterschiedlichen Strategien. Bei jeder Marketing-Kampagne scheint mir das Problem gerade in der Nachhaltigkeit der Initiative zu liegen. Was halten Sie von der Idee, parallele Kampagnen zu initiieren, also: langfristig angelegte Projekte und zeitlich begrenzte Specials. So würde man neue Besucher locken und gleichzeitig treue Kunden mit mehr auf ihre Kenntnisse zugeschnittenen Content zufriedenstellen. Ich wüsste auf Anhieb nicht, wie ich dieses Modell nennen würde, aber es war einen Versuch wert, nicht? 😉

    1. Ja, das ist auf jeden Fall eine gute Vorgehensweise. Ich empfehle prinzipiell immer, Social Media als langfristig und kontinuierlich ausgerichtetes Engagement zu verstehen. Einzelne Kampagnen ergänzen dieses Engagement, reichen für sich genommen aber nicht aus.

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