Fake News sind ein Riesenthema. In Drittweltländern produzieren immer mehr Menschen Fake News, weil sich damit mehr Geld verdienen lässt als mit ihrer eigentlichen Arbeit. Fake News werden von Bots, von Trollen und von russischen Spionen produziert – und von mir.
Ich habe eine Fake News generiert, die von dutzenden Zeitungen und sogar Radio- und TV-Sendern online aufgegriffen wurde. Und dabei wusste ich davon nicht einmal etwas und hatte das auch nicht vor.
Das Beispiel zeigt aber schön, wie solche Fake News entstehen können und welche Rolle schlampiger Journalismus dabei spielt.
[Tweet „Schlampiger Journalismus und Click-Geilheit führten zum #Aschenbrödelgate“]Aber der Reihe nach
Ich betreibe die Website weihnachtsfilme.de. Das ist ein Hobbyprojekt, das ich zusammen mit meiner damaligen Freundin betrieben habe, hauptsächlich hat sie sich darum gekümmert. Nun ist das Projekt wieder an mich zurückgefallen. Durch mein „eigentliches“ Geschäft (überwiegend Seminare und Vorträge) komme ich aber kaum dazu, mich darum zu kümmern.
Die Website wird stark frequentiert, unter anderem weil Besucher die TV-Sendetermine ihrer liebsten Weihnachtsfilme suchen. Das ist generell ein beliebtes Thema und viele Anbieter erstellen zu den beliebtesten Weihnachtsfilmen auch Infografiken mit Auflistung der Termine. Ich mache das natürlich auch (von sehr rudimentären Grafik-Kenntnissen darf man sich da nicht einschüchtern lassen). Geht immer ganz gut viral auf Facebook.
Letztes Jahr haben wir eine solche Grafik für den beliebten Film Drei Haselnüsse für Aschenbrödel erstellt. Wie es sich für einen ordentlichen SEO gehört, gibt es dazu natürlich auch eine passende Landingpage, in der die Grafik eingebunden war und die die Sendetermine zusätzlich als Text enthielt.
Diese Landingpage hat gut bei Google gerankt, wurde letztes Jahr gut geshared, alles gut.
Da das Thema ein Saisongeschäft ist, habe ich am 19.03.2017 die Landingpage etwas umgestellt und alle Nennungen von „2016“ durch „2017“ ausgetauscht. Ansonsten blieb die Landingpage unverändert. Mein Plan war, irgendwann im Oktober mal zu schauen, ob es schon neue Sendetermine gibt.
Ich habe nicht damit gerechnet, dass jetzt schon jemand die Website findet und im Social Web teilt.
Genau das ist aber passiert.
Am 10.10. stieß offenbar der Twitter-Nutzer @DerWachsame auf die Seite und hielt die Termine für aktuell. Kein Wunder, die Überschriften und Texte enthielten ja schon den Hinweis auf 2017 und die Infografik selbst (die zu dem Zeitpunkt noch eingebettet) nannte nur Tag und Monat, aber ohne Jahreszahl. Meinen Hinweis auf der Landingpage, dass die Termine dort veröffentlicht werden, sobald sie bekannt seien, übersah er offenbar. Ganz so wachsam war DerWachsame in diesem Fall anscheinend nicht…
Und so twitterte er eben die Infografik, leider (natürlich) ohne die Quelle zu nennen oder gar zu verlinken. Da ich aber nicht ganz doof bin, baue ich natürlich in die Infografiken immer das Logo ein, das aus dem Domainnamen besteht (und übrigens für 5€ bei Fiverr gekauft wurde). So war indirekt doch ersichtlich, woher die Grafik stammt.
Jetzt mal was Wichtiges: Die Sendetermine für „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ sind da! ??????? pic.twitter.com/2Bk1PN9ZpH
— Herzbeben-Steak (@DerWachsame) 9. Oktober 2017
Und damit nahm das Unheil seinen Lauf
Tja, nun war das Gerücht in die Welt gesetzt. Schnell verbreitete sich die frohe Kunde im Netz. Allein der Originaltweet erhielt 190 Retweets und über 500 Likes.
Und jetzt kommt der schlampige Journalismus ins Spiel. Denn in Windeseile übernahmen diverse Zeitungen die Termine für ihre Online-Portale. Übrigens ohne die Grafik zu verwenden oder gar die Quelle zu nennen. Sie wiesen einfach auf die neuen Sendetermine hin.
Ich habe ca. drei Dutzend Zeitungen gezählt. Schnell waren auch RTL und einige Radiosender am Start, die online über die vermeintlichen Sendetermine berichteten, ebenfalls einige Ableger von großen Medien wie z.B. ze.tt (gehört zu ZEIT). Auch diese Artikel und Posts wurden teilweise hunderte Male kommentiert und geliked.
[Tweet „Warum dutzende von Zeitungen auf einen Irrtum hereingefallen sind“]Ich habe sogar einige Medien gefunden, die aus den Terminen (von letztem Jahr) eigene Grafiken gebastelt und diese auf Facebook verbreitet haben.
Das alles ging völlig an mir vorbei
Ich selbst muss zugeben, ich habe davon erst abends erfahren. Über Twitter wurde ich von einem Journalisten gefragt, was ich denn von dem #Aschenbrödelgate halte. Damit wusste ich logischerweise nichts anzufangen. Erst durch einige PMs konnte er mir erklären, was denn überhaupt passiert war.
@beilharz Einen Kommentar übrig zum #Aschenbrödelgate?
— Lars Wienand (@LarsWienand) 10. Oktober 2017
Ein Blick in meinen E-Mail-Posteingang zeigte mir dann, dass auch ein weiterer Journalist nachgefragt hatte, woher denn die Termine stammen, die seine Kollegen da alle so fleißig veröffentliche.
Die Mitteldeutsche Zeitung war m.W. die erste, die über den Irrtum aufklärte. Auch das wurde wieder von vielen anderen Zeitungen aufgegriffen, sogar mehr, als über die ursprünglichen Sendetermine berichtet hatten. Der Begriff „Aschenbrödel-Affäre“ hat sich offenbar für den Fall etabliert… Das Thema „Wie konnte das passieren? Falsche Zeiten für Drei Haselnüsse für Aschenbrödel im Umlauf“ hat es bei T-Online sogar in die Top-Nachrichten geschafft…
Was ist die Moral von der Geschicht‘?
Ein Twitter-Nutzer postet eine Grafik ohne Quellenangabe und ohne die Daten zu prüfen (die wirklichen Sendetermine sind laut ARD immer noch nicht veröffentlicht).
Der Post wird auf Twitter viral.
Sämtliche Medien springen drauf an und greifen das Thema freudig auf. Selbst ein TV-Sender (die sich mit TV ja eigentlich auskennen sollten).
Niemand prüft, ob die Daten tatsächlich stimmen.
Alle Internetnutzer greifen das weiterhin freudig auf und sorgen für enorme Reichweite.
Ich habe da übrigens quasi nichts von. Da so gut wie kein Medium meine Seite als Quelle verlinkt hat, bekam ich auch kaum Traffic (ca. 1.000 Besucher). Ein paar feine Backlinks sind dabei natürlich rausgesprungen (aber erst aus den Aufklärungsartikeln), ansonsten aber einfach eine schöne Story für den Blog und den einen oder anderen Vortrag :-).
Drum prüfe, wer im Netz was findet, ob er sich da nen Bär’n aufbindet…
1. Verstehe ich das richtig, da stand so was wie "Sobald die Termine stehen, sehen Sie hier eine Infografik", darunter war eine Infografik, und Sie sind überrascht, dass jemand denken konnte, die Termine stehen schon? Ich finde, da sitzen Sie ein wenig im Glashaus, was Schlampigkeit angeht.
2. Ihre Klage über mangelhafte Quellenangaben ist nachvollziehbar, aber immerhin steht die Quelle im Sharepic. Das ist auch wieder so eine Glashaus-Sache, denn das ist mehr, als Sie als Bildquelle für das DVD-Cover (?) angeben.
Genau das dachte ich auch.
Ich werfe dem Twitter-Nutzer nichts vor. Er konnte durchaus denken, dass die Daten aktuell sind. Aber sorry, von Journalisten erwarte ich einen Tick mehr Recherche als von einem willkürlichen Twitterati oder einem privaten Themenseiten-Betreiber. Das ist ja gerade das Problem: Irgendwo im Internet taucht eine Information auf und dutzende Medien springen drauf an, anstatt sie mal kurz zu prüfen.
Und nein, im Sharepic steht keine Quelle, sondern mein Logo, das zufällig den Domainnamen enthält. Eine Quelle kann man das schwerlich nennen. Und das "steht" auch nur im Sharepic, weil ich es da eingebaut habe, genau aus dem Grund, falls jemand die Grafik klaut. Aber auch das werfe ich dem Twitterati nicht wirklich vor bzw. würde in so einem Fall nicht dagegen vorgehen (was ich problemlos könnte).